Estampes

Inhalt

Seite 1 - Entstehung, Uraufführung und Titel
Seite 2 - Pagodes
Seite 3 - La Soirée dans Grenade
Seite 4 - Jardins sous la pluie

Die Estampes bestehen aus drei einzelnen Stücken, die jeweils mit einem Titel versehen sind, der sowohl inhaltlich wie auch geographisch auf das Folgende hinweist.

1 Pagodes Pagoden
2 La Soirée dans Grenade Der Abend in Granada
3 Jardins sous la pluie Gärten unter dem Regen

Entstehung und Uraufführung

Die Estampes entstanden im Sommer 1903 und wurden noch im selben Jahr, am 20. Oktober 1903, bei Durand veröffentlicht. Gewidmet sind die drei Stücke dem Maler Jacques-Emile Blanche, einem Mitglied des aus Künstlern bestehenden Freundes- und Bekanntenkreises Debussys. Blanche porträtierte Debussy in den Jahren 1902 und 1903. Somit ist die Widmung sicherlich auch als Dankeschön für die beiden Bilder zu sehen. Blanche hatte 1888 auch schon Debussys Muse Marie-Blanche Vasnier in Szene gesetzt.

Die Uraufführung der Estampes fand am 9. Januar 1904 in einem Konzert der Societé Nationale de Musique durch Ricardo Viñes statt. Die Kritiken waren überwiegend freundlich bis positiv.

Titel

Der Titel "Estampes" ist aus der Bildenden Kunst entlehnt und bezeichnet einen Stich, der auf verschiedenen Materialien ausgeführt werden kann, wie zum Beispiel ein Holzschnitt, Kupferstich oder eine Lithographie.

Die Estampes sind Deubssys erstes Klavierwerk mit poetischen Titeln. Alle drei befinden sich an verschiedenen Schauplätzen: Pagodes im fernen Osten (genauer Java), La Soirée dans Grenade in Andalusien und Jardins sous la pluie in Frankreich. Thematische Bezüge zwischen den einzelnen Stücken gibt es keine. Debussy hatte Asien oder Andalusien zeit seines Lebens nie besucht. Die musikalischen Eindrücke für die ersten beiden Estampes holte er sich bei den Pariser Weltausstellungen von 1889 und 1900, wo sowohl andalusische als auch javanische Ensembles auftraten. Debussy schrieb diesbezüglich in einem Brief an André Messager: "Wenn man nicht das Geld hat, sich Reisen leisten zu können, muss man sie im Geist machen." (1)

Einordnung

Die Estampes sind Debussys erstes reifes Klavierwerk, bei dessen Veröffentlichung Debussy schon knapp über 40 Jahre alt war. Das ist insofern erstaunlich, als Debussy schon 10 Jahre zuvor, im Jahr 1894 seinen Durchbruch mit dem wegweisenden Orchesterwerk Prélude à l'après-midi d'un Faune geschafft hatte. Für Klavier folgte in den Jahren nach dem Prélude à l'après-midi d'un Faune nur die Klaviersuite Pour le piano, die zwar schon viele der klanglichen Neuerungen Debussys beinhaltete, sich formal und bei der Wahl der Titel aber noch sehr an den traditionellen Vorbildern wie der Sarabande und Toccata orientierte und deshalb eher als Übergangswerk bezeichnet werden kann. Die Pause im Klavierschaffen war sicherlich dadurch begründet, dass Debussys ganze Konzentration ab 1894 seinem dann 1902 fertiggestellten Opernprojekt Pelléas et Mélisande galt und daneben kaum Zeit blieb, neue Klavierwerke zu schreiben. Die Estampes waren also der Beginn einer neuen Schaffensperiode in Debussys Klaviermusik, die nun künstlerisch denselben Stellenwert wie seine Orchester- und Bühnenwerke besaß. So folgten in den darauf folgenden Jahren auch schnell die nächsten wichtigen Klavierkompositionen wie die beiden Bände der Images oder die beiden Bände der Préludes.

(1) Zitiert nach: Zilkens, Udo Claude Debussy spielt Claude Debussy. Köln-Rodenkirchen, 1998, S. 25.


Kontakt

  © 2023 by Jochen Scheytt

Die deutschen Debussy-Seiten sind der umfangreichste Überblick über Debussys Leben und Schaffen in deutscher Sprache im Internet.

Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.