Der 1. Weltkrieg

Wie kein anderes Ereignis erschütterte Debussy der ab 1914 in Europa tobende 1. Weltkrieg. Er ließ sich dabei zu einem gewissen Teil auch von der allgemeinen, in Frankreich und in Paris herrschenden anti-deutschen Stimmung anstecken. Diese Stimmung erzeugte einen übertriebenen Patriotismus, der schon chauvinistisch zu nennen war, und der sich bei Debussy an Zitaten wie dem folgenden ablesen lässt.

"Seit man Paris von diesen lästigen Ausländern gesäubert hat, sei es durch Erschießen, sei es durch Ausweisung, ist es augenblicklich ein reizvoller Ort geworden." (1)

Für Debussy war der Krieg allgegenwärtig und begann seine künstlerische Schaffenskraft zu lähmen.

"Zu keiner Zeit haben sich Kunst und Krieg gut vertragen - man muss sich für eines von beiden entscheiden, und man hat nicht einmal das Recht sich darüber zu beklagen. Ich spreche nicht davon, dass ich seit zwei Monaten weder das Klavier berührt, noch eine Note geschrieben habe." (2)

Er wollte etwas für Frankreich tun, und sah da nur die Möglichkeit, es über die Musik zu tun. So sind alle Werke, die seit Kriegsausbruch komponiert wurden, direkt oder indirekt mit dem Krieg in Zusammenhang zu bringen. Am deutlichsten sind dies die beiden folgenden Werke:

  • Berceuse héroïque für Klavier (später instrumentiert) von 1914, zu Ehren von Seiner Majestät Alberts I. von Belgien und seiner Soldaten
  • "Noël des enfants qui n'ont plus de maison" für Singstimme und Klavier, 1915

Aber auch die anderen bis zu Debussys Tod 1918 entstandenen Werke zeigen indirekt Bezüge zum Krieg, indem sie sich in ihrer Formensprache auf die französische Vergangenheit beziehen, wie die Frédéric Chopin gewidmeten Etüden oder die Sonaten für verschiedene kammermusikalische Besetzungen, die alle mit "Komponiert von Claude Debussy, französischer Musiker" unterzeichnet sind.

Im zweiten Kriegsjahr 1915 brach schließlich Debussys Darmkrebskrankheit aus und ließ die letzten drei Jahre seinens Lebens für ihn zur Qual werden. Inwiefern hier die psychische und auch physische Belastung durch den Krieg mit eine Rolle spielten, kann nicht gesagt werden. Der akute Ausbruch 1915 könnte aber durchaus in Zusammenhang mit den Kriegsereignissen stehen. Eine 1915 durchgeführte Operation brachte keine Besserung.

Debussy gab seine letzten Konzerte zu Gunsten von Hilforganisationen im Krieg, das letzte davon, schon sehr geschwächt, 1917. Hier spielte er noch seine Sonate für Violine und Klavier zusammen mit dem Geiger Gaston Poulet. Debussy starb am 25. März 1918, gut ein halbes Jahr vor dem offiziellen Waffenstillstand, als Paris unter schwerem deutschen Beschuß stand. Dietrich Fischer-Dieskau schreibt hierzu sehr treffend:

"Welch Ironie des Schicksals, dass ein die Stille so innig liebender Musiker wie Debussy unter dem Krachen von Artilleriefeuer bestattet wurde!" (3)


(1) zitiert nach: Barraque, Jean. Claude Debussy. Rowohlt 1964, S. 148.
(2) zitiert nach: Fischer-Dieskau, Dietrich. Fern die Klage des Fauns. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1993, S. 439.
(3) Fischer-Dieskau, Dietrich. S. 7.

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Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.