Eddy Grant: Gimme Hope, Jo'anna

Hoffnung für die Unterdrückten - der Anti-Apartheidssong der Achtziger im Eddy-Grant-Sound

Eddy Grants Gimme Hope, Jo'anna hat es in den Kanon der Songs der Achtziger geschafft, die auch heute noch eine hörbare Radio-Präsenz haben und auch als Party-Song sehr beliebt sind. Das liegt daran, dass der Song mit seinem Reggae-ähnlichen Rhythmus, dem charakteristischen Gitarrenriff, den Durakkorden und dem eingängigen Refrain eine durchaus fröhliche Grundstimmung besitzt. Dabei ist es vielen Menschen im deutschen Sprachraum gar nicht klar, um was es inhaltlich eigentlich geht. Und so taucht immer wieder die - mehr als berechtigte - Frage auf, wer denn eigentlich diese Jo'anna sein soll, die Eddy Grant oder wem auch immer Hoffnung geben soll.

Um die Frage gleich zu beantworten: Mit Jo'anna ist die südafrikanische Metropole Johannesburg gemeint, die im Song als Metapher für das südafrikanische Apartheids-System steht, das bis 1990 existierte. Gimme Hope, Jo'anna ist also kein reiner Party-Song. Dass das kein Zufall ist, wird schnell ersichtlich, wenn man sich näher mit Eddy Grants Biographie und seinem kreativen Output beschäftigt.

Eddy Grant wird 1948 in Plaisance in der damaligen, im Norden des südamerikanischen Kontinents gelegenen Kolonie Britisch-Guyana geboren. 1960 wandern seine Eltern wie viele andere nach England aus. Für den 12-jährigen Eddy ist der Umzug von den subtropischen Gefilden ins nasskalte London ein kultureller Schock. Doch im Swinging Londen der frühen 1960er Jahre erweitert sich der musikalische Horizont Grants schnell und die für ihn so charakteristische Mischung aus den Klängen seiner karibischen Heimat und der britischen, stark vom Rhythm'n'Blues beeinflussten Pop- und Rockmusik hat hier ihren Ursprung.


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Auch eine andere, prägende Erfahrung macht Grant als Jugendlicher in London: Wie viele andere Einwanderer-Familien aus den britischen Kolonien erfährt Grant sehr schnell, was es bedeutet Bürger zweiter Klasse zu sein und rassistisch angefeindet zu werden. So ist die Gründung von Eddy Grants erster Band im Jahr 1965 quasi ein erstes politisches Statement. Sie besteht nämlich neben Grant aus zwei jamaikanischen Zwillingen und zwei waschechten Engländern und nennt sich konsequenterweise "The Equals". Doch das England der 1960er Jahre ist noch nicht bereit für solch eine multikulturelle Truppe und die DJs zerbrechen die erfolgreiche Single Baby Come Back demonstrativ, während sie live auf Sendung sind. (1)

Aus diesen Erfahrungen heraus thematisiert Grant immer wieder gesellschaftliche Missstände, und hier vor allem die Diskriminierung von ethnischen Minderheiten. Der Song Electric Avenue aus dem Jahr 1982 zum Beispiel entsteht unter dem Eindruck der Brixton Riots ein Jahr zuvor, als in der dort lebenden afro-karibischen Bevölkerung steigende Perspektivlosigkeit, eine hohe Arbeitslosigkeit, Armut und willkürliche Polizeigewalt in gewaltsame Proteste mündeten.

Im Jahr 1988 schreibt Eddy Grant dann mit Gimme Hope, Jo'anna seine Anklage an das südafrikanische Apartheids-Regime. Schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in Südafrika Apartheidsgesetze, die die afrikanische Mehrheit der Bevölkerung zugunsten der weißen Minderheit unterdrückten. Zur Symbolfigur der Anti-Apartheidsbewegung wurde in den 1960er Jahren Nelson Mandela, der insgesamt 27 Jahre im Gefängnis saß und ohne den das Unrechtsregime vielleicht noch immer existieren würde. Mandela wurde 1990 aus dem Gefängnis entlassen und erhielt 1993 den Friedensnobelpreis. Von 1994 bis 1999 war er der erste schwarze Präsident des Landes. Mandela wird im Liedtext von Gimme Hope, Jo'anna namentlich zwar nicht erwähnt, dafür aber Bischoff Desmond Tutu, der als prominenter Füsprecher für die Rechte der afrikanischen Bevölkerungsmehrheit sehr einflussreich und prägend war und dafür 1984 den Friedensnobelpreis erhielt. (".. the Archbishop who's a peaceful man..."). (2)

Der Liedtext nimmt auch Bezug auf den Soweto-Aufstand von 1976 ("While every mother in black Soweto fears the killing of another son"), (3) bei dem insgesamt fast 600 Menschen starben und viele Tausende verletzt wurden. Vorausgegangen war den Unruhen in Johannesburgs South Western Township (=SoWeTo) eine Entscheidung der Regierung, das von den burischen Konolisten stammende Afrikaans, das als Symbol der unterdrückenden Weißen galt, als Unterrichtssprache für die afrikanischen Schüler an den höheren Schulen durchzusetzen. Da sie diese Sprache nicht oder kaum sprachen und die Entscheidung deshalb als diskriminierend empfanden, kam es zu Schülerprotesten, die von der Polizei blutig niedergeschlagen wurden und sich dann in den folgenden Tagen und Wochen ausweiteten.

Am Schluss des Songs wird Zeitenwende schon vorausgesagt ("Can't you see that the tide is turning?"). (4) Tatsächlich war das Apartheids-Regime durch internationalen Druck, Sanktionen und den immer stärker werdenden inneren Widerstand kurz vor dem Kollaps, der dann auch zwei Jahre nach Erscheinen von Gimme Hope, Jo'anna eintrat. Da hatte auch das Verbot des Songs in Südafrika nichts genützt, zumal er sich dennoch schnell verbreitete und zu einer Hymne des Widerstands wurde.

(1) Simpson, Dave. How we made Eddy Grant's Electric Avenue. https://www.theguardian.com/culture/2018/sep/03/how-we-made-eddy-grant-electric-avenue. Abgerufen am 2.9.2021.
(2) Grant Eddy. Gimme Hope, Jo'anna [Liedtext]. Greenheart Music Ltd.
(3) ebda.
(4) ebda.

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  © 2024 by Jochen Scheytt

Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.